Rechtstipp: Aktuelle Entscheidung des BSG
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Rechtstipp:
Eine Abrechnungsprüfung gem. § 275 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. SGB V ist nur bei festgestellten Auffälligkeiten zulässig
Wir danken Herrn Rechtsanwalt Friedrich W. Mohr, Fachanwalt für Medizinrecht, für die Kommentierung folgender Entscheidung:
Urteil des BSG vom 16.05.2013, Az.: B 3 KR 32/12 R
Ich darf Sie über eine interessante und weitreichende Entscheidung des BSG informieren, die sich mit den Voraussetzungen einer Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. SGB V befasst.
Sachverhalt
Das klagende Krankenhaus führte bei einem Versicherten wegen einer Darmerkrankung eine Operation durch. Der Patient war am Vortag der Operation im Krankenhaus aufgenommen worden. Die beklagte Krankenkasse vertrat die Auffassung, dass der Patient bereits am Aufnahmetag hätte operiert werden können und kürzte die Rechnung um 1.337,84 €. Die Klägerin vertrat u.a. die Auffassung, dass die Krankenkasse das in § 275 Abs. 1 SGB V vorgesehene Prüfungsverfahren nicht eingehalten habe; eine Beauftragung des MDK zur Prüfung der Rechnung sei nicht erfolgt. Da die Beklagte keine vollständige Zahlung leistete, erhob das Krankenhaus Zahlungsklage vor dem Sozialgericht.
Entscheidungsgründe
Das BSG stellte fest, dass die Krankenkasse das Prüfungsverfahren in doppelter Hinsicht verletzt habe:
- Eine Rechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. SGB V sei nur zulässig, wenn sich Auffälligkeiten ergeben, die die Krankenkasse von sich aus oder ohne weitere Sachverhaltsermittlung und –bewertung durch den MDK nicht klären kann. Entsprechende Auffälligkeiten habe die Krankenkasse weder benannt noch belegt. Es gäbe vielmehr Anzeichen, dass es sich bei der Krankenkasse um eine routinemäßige Abfrage gehandelt habe mit dem Ziel, eine Kostenreduzierung zu erreichen (Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer).
- Entgegen der Auffassung des LSG sei es nicht zulässig, das Krankenhaus wiederholt zur Angabe medizinischer Gründe bzw. zur Vorlage medizinischer Unterlagen an den MDK aufzufordern. Die Krankenkasse ist vielmehr verpflichtet, bei medizinischen Fragestellungen den MDK einzuschalten (von bestimmten Ausnahmen abgesehen). Die Krankenkasse dürfe ihre gesetzlichen Obliegenheiten nicht auf die Krankenhäuser verlagern. Die Krankenkasse habe sich an das vom BSG in ständiger Rechtsprechung entwickelte dreistufige Prüfverfahren zu halten.
Im Ergebnis wies das BSG die Revision des Krankenhauses jedoch zurück, da es den Feststellungen des LSG, dass eine stationäre Behandlung am Aufnahmetag nicht erforderlich gewesen sei, nicht widersprochen habe.
Anmerkungen
Das BSG begrenzt die Einschaltung des MDK zur Abrechnungsprüfung auf „Auffälligkeiten“. Damit orientiert sich das BSG streng am Wortlaut des § 275 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. SGB V. Es knüpft damit an das Urteil des BSG vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 24/11 R, Rdz. 18 an. Danach muss die gestellte Rechnung Fragen nach der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Krankenhausrechnung und/oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die Krankenkasse ohne Einschaltung des MDK von sich aus nicht beantworten kann.
Im vorliegenden Fall hatte die Krankenkasse lediglich Verdachtsmomente geäußert, ohne Auffälligkeiten zu benennen bzw. zu belegen. Eine Rechnungsprüfung hätte daher nicht erfolgen dürfen. Dabei betont das BSG, dass eine beabsichtige Kostenreduzierung allein kein Grund für eine Rechnungsprüfung darstellt.
Im Übrigen spricht sich das BSG gegen eine Verlagerung der den Krankenkassen obliegenden Verpflichtungen auf das Krankenhaus aus. Damit bietet es Versuchen der Krankenkassen Einhalt, über die gesetzlich vorgesehenen Daten nach § 301 SGB V hinaus zusätzliche Begründungen und Auskünfte vom Krankenhaus zu verlangen. Allerdings gibt es hierzu auf Grund der Rechtsprechung des BSG Ausnahmen im Bereich von Leistungen, die dem Vertragsarztbereich zugeordnet sind bzw. bei Leistungen nach dem AOP-Vertrag (siehe zuletzt Urteil des BSG vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 28/12 R – wir berichteten hierüber).
Den Krankenhäusern ist daher zu empfehlen, wenn die Krankenkasse den Zeitraum der unteren Grenzverweildauer in Frage zieht, sich von der Krankenkasse erläutern zu lassen, worin die Auffälligkeit i.S.d § 275 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. SGB V liegt. Diese Angabe ist für das weitere Prozedere von entscheidender Bedeutung.
Zur Zeit liegt lediglich der Terminsbericht des BSG vor. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich Sie weiter informieren.
Der Terminsbericht ist wiedergegeben unter www.medizinrecht-ra-mohr.de
Mainz, den 12.06.2013, Friedrich W. Mohr, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
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